Höhenrettungsgruppe rettet Arbeiter aus Silo

Jahrzehntelang hatte die Braunschweiger Berufsfeuerwehr eine zweite Wache gefordert, weil die Einsatzstellen in den südlichen Stadtteilen nur noch unter Einbeziehung der Freiwilligen Feuerwehren rechtzeitig erreicht werden konnten. Aber erst im November vergangenen Jahres wurde die neue Südwache auf dem Gebiet der ehemaligen Leutnant-Müller-Kaserne fertiggestellt.

Da sich der Betrieb mehrerer Wachen zunächst einspielen mußte und die kalte Jahreszeit für einen Tag der offenen Tür auch nicht sonderlich geeignet schien, wurde die Wache erst am Sonntag, den 05. Mai 2002, der Öffentlichkeit vorgestellt. Bei strahlendem Sonnenschein waren mehrere Tausend Bürger der Einladung der Feuerwehr gefolgt und ließen sich von den Einsatzfahrzeugen und den Vorführungen begeistern. Auch die gemeinsame Höhenrettungsgruppe von THW und Feuerwehr hatte eine Präsentation geplant.

Doch gegen 11.23 Uhr rief ein echter Alarm den Löschzug der Südwache in den Einsatz: In der Mühle Rüningen sollte ein Arbeiter in einem Silo verunglückt sein. Die vom Tag der offenen Tür abrückenden Kräfte wurden von der Hauptwache durch den Direktionsdienst und einen Rüstwagen ergänzt, zusätzlich wurde die zuständige Ortsfeuerwehr alarmiert. Kaum waren die ersten Einheiten am Ort, wurde gegen 11.36 Uhr die Höhenrettungsgruppe nachgefordert. So rückten von der Südwache noch ein MTW der Feuerwehr und der GKW I des 1. Technischen Zuges aus.

Am Steuer des GKW: Tobias Kassel, Gruppenführer der Höhenrettungsgruppe und erst seit wenigen Wochen im Besitz seines LKW-Führerscheins. In der Schnelleinsatzeinheit wird normalerweise darauf geachtet, daß zwischen Erwerb des Führerscheins und und der ersten "echten" Alarmfahrt ein Jahr Ausbildungszeit liegt – aber wie so oft spielte das Leben allen Planungen einen Streich ...

Vor Ort rüsteten sich die Höhenretter der Feuerwehr sofort mit Atemschutzgeräten aus, während die THW-Helfer unverzüglich mit den erforderlichen Geräten auf das Dach des 12 Meter hohen Mehlsilos stiegen. Dort bot sich folgende Lage: auf dem Grund des Silos lag ein Arbeiter, der offensichtlich bei Lackierarbeiten im Inneren des Silos verunglückt war. Art und Ausmaß seiner Verletzungen waren nicht erkennbar. Obwohl sich der Arbeiter noch bewegte, reagierte er bereits nicht mehr auf Zurufe.

Knapp unterhalb der Einstiegsöffnung im Deckel des Silos hing eine nicht mehr verfahrbare Arbeitsplattform. Diese zu beseitigen, hatten die Helfer keine Zeit, da es galt, dem Verletzten so schnell wie möglich frische Luft zuzuführen. Die THW-Helfer bauten daher an der Plattform vorbei sofort zwei Seilstrecken auf, an denen sich ein Feuerwehrmann mit einem zweiten Atemschutzgerät für den Verletzten abließ. Gegen 12.12 Uhr begann die Versorgung des Verletzten. Dieser war, vermutlich durch die Lösemitteldämpfe benebelt, abgestürzt und dann mit einem Bein in der Ablaßöffnung des Silos steckengeblieben. Nach Versorgung mit frischer Atemluft wurde der Verletzte relativ schnell wieder ansprechbar und konnte dann mittels Rettungsdreieck von den THW-Helfern aufgezogen werden. Gegen 12.30 Uhr wurde er an den Notarzt übergeben, der den Höhenrettern vollste Zufriedenheit mit dem Ablauf der Rettung bekundete.

Der Einsatz beschied den Einsatzkräften allerdings Materialschäden in Höhe von rund 900 EUR, da die Einsatzbekleidung des abgestiegenen Feuerwehrmannes ebenso wie die zahlreiche Materialien der THW-Höhenretter durch den Kontakt mit Lack und Mehl unbrauchbar geworden war. Diese Schäden wurden jedoch durch das Gefühl, einem Menschen das Leben gerettet zu haben, mehr als ausgeglichen. Auf der Nachbesprechung zeigten sich die Einsatzkräfte insbesondere von der Abstimmung und Zusammenarbeit innerhalb der gemeinsamen Höhenrettungsgruppe begeistert, die ganz wesentlich zum Erfolg des Einsatzes beigetragen hatte.

Einsatzbericht: Jan Kämpen ( Stand: 19.05.2002 )